Hollywood würde sagen
die Geschichte ist zu unglaubwürdig!
Ich wurde neulich gefragt, ob ich mir diese Geschichten immer ausdenke oder ob die Leute wirklich diese Fälle anfragen. Hallo, die Geschichten sind zum Teil so obskur, die kann ich mir gar nicht ausdenken.
Also hier mal…
… wieder etwas aus der Rubrik „ Ich habe da eine E-Mail erhalten“. Im konkreten Fall kam die Mail aus Texas und ging um die große Liebe der Ur-Großmutter. Naja, habe ich mir am Anfang der Mail gedacht eine romantische Beziehung zwischen Ur-Oma und Ur-Opa, aber nachdem ich die E-Mail (auf Deutsch geschrieben) komplett gelesen habe, war ich doch erstaunt.
Die Ur-Großmutter war zwar mit dem Ur-Großvater verehelicht, ist dann aber mit Ihrer großen Liebe abgehauen und Mann und 4 Kinder zurückgelassen.
Der Schreiber der E-Mail wollte nun wissen, was aus der Ur-Oma und der Frau geworden ist? Wie Frau? Ja, die Ur-Oma ist mit einer anderen Frau durchgebrannt und der zurückgelassene Mann ist mit den Kindern über England in die USA ausgewandert und der Ur-Enkel aus den USA will nun etwas über die Ur-Oma und deren Lebensgefährtin erfahren. Was aus denen geworden ist, wo sie gewohnt haben, wo verstorben und überhaupt wie es damals als homosexuelles Pärchen in Deutschland so war.
Da der komplette Name der Ur-Oma und deren Geburtsdatum bekannt sind, ebenso die Stadt aus der sie mit Ihrer Freundin verschwand, war es relativ einfach, die Spur der beiden zu verfolgen.
In der Stadt aus der die beiden flohen, gibt es ein Stadtarchiv wo die historischen Meldekarten aufbewahrt werden. Und Preußisch erzogen haben die beiden sich trotz Ihrer „Nacht und Nebel Flucht“ abgemeldet und den neuen Wohnort angegeben. Dort haben wir dann ebenfalls durch die Meldekarten herausgefunden, dass die zwei bis zu Ihrem Tode zusammengelebt haben. Das tragische ist, dass die Ur-Oma zuerst verstarb und dann drei Tage später die Lebensgefährtin sich das Leben nahm.
Ich habe die beiden Sterbeinträge aus den Kirchenbuch kopiert und dem Kunden gemailt. Seine Frage war daraufhin, wie die Kirche zu dieser Liebe stand. Ich kann wohl erwähnen, dass die beiden ins katholische Bayern gezogen sind und dort in einer der größeren Städte gewohnt haben.
Wie genau die Kirchen auf „Liebe zwischen zwei Frauen„ reagiert hat kann ich so natürlich nicht sagen, aber im ersten offiziellen deutschen Strafgesetzbuch (Constitutio Criminalis Carolina) von 1532 steht folgendes geschrieben:
„Ebenso wenn ein Mensch mit einem Vieh, ein Mann mit einem Mann, eine Frau mit einer Frau, Unkeuschheit treiben, haben auch sie das Leben verwirkt, und man soll sie nach allgemeiner Gewohnheit mit dem Feuer vom Leben zum Tode richten“
Erst 1794 wandelte man in Preußen die Todesstrafe für gerade genanntes „Vergehen“ in Gefängnisstrafe und Verbannung um. Im „Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794“ heißt es:
§ 1069: Sodomiterey und andre dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier nicht genannt werden können, erfordern eine gänzliche Vertilgung des Andenkens.
§ 1070 : Es soll daher ein solcher Verbrecher, nachdem er ein- oder mehrjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied ausgestanden hat, aus dem Orte seines Aufenthalts, wo sein Laster bekannt geworden ist, auf immer verbannt, und das etwa gemißbrauchte Thier getödtet, oder heimlich aus der Gegend entfernt werden.
§ 1071: Wer jemanden zu dergleichen unnatürlichen Lastern verführt und mißbraucht, der ist doppelter Strafe schuldig.
§ 1072: Machen sich Aeltern, Vormünder, Lehrer oder Erzieher dieses Verbrechens schuldig: so soll gegen dieselben vier- bis achtjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied statt finden.
Da mein Kunde Herr Smith (heißt natürlich nicht so) aus Texas ja immer noch Deutsch spricht, hat er im Internet bereits einiges über das Leben als homosexuelles Paar zur damaligen Zeit gefunden. Allerdings ist ihm aufgefallen, dass meist (auch in den Gesetzen) immer nur die Liebe zwischen zwei Männern erwähnt wird und selten oder gar nicht über die zwischen zwei Frauen. Auf seine Frage, ob es deutsche Internetseiten oder Literatur geben würde, konnte ich aus dem Stehgreif auch nicht beantworten, aber ich habe mich schlau gemacht.
Eine Internetseite habe ich nicht gefunden, aber nach ein paar Telefonaten weiß ich nun, dass im März 2010 im Insel Verlag ein Buch über dieses Thema erschienen ist. Da Herr Smith ja noch Deutsch spricht, kann und will er sich dieses nun bestellen.
24,80 € für die gebundene Ausgabe mit 336 Seiten.
ISBN: 978-3-458-17454-7
In dem Buch geht es um die Liebe zwischen Adele Schopenhauer (die ja eigentlich Luise Adelaide Lavinia Schopenhauer heißt) und … ach ich kopiere mal den Klappentext:
Adele Schopenhauer – Schriftstellerin, Künstlerin, die Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer – und die »Rheingräfin« Sibylle Mertens-Schaaffhausen verband eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit den dazugehörigen Höhen und Tiefen. Seit 1828 waren sie ein Paar: »am besten vergleichst Du uns ein paar Leuten, die sich spät finden
und dann einander heiraten. Stürbe sie – so spräng ich jetzt in den Rhein, denn ich könnte nicht ohne sie bestehen«, schrieb Adele ihrer Freundin Ottilie von Goethe.
Zufälle gibt es… Ich habe vor 3 Wochen in den alten Hamburger Kirchenbüchern geforscht und bin bei der Suche auch über den Taufeintrag von besagter Adele Schopenhauer gestolpert. Wie komisch dachte ich mir, eine Schopenhauer, genau wie der Philosoph Arthur über den ich aus einem Referat aus Schulzeiten (man behält doch mehr als man denkt) noch wusste, dass er in Danzig geboren wurde. Hätte ich gewusst, das es sich um die Schwester handelt (tja, dass Arthur eine Schwester hatte die in Hamburg zur Welt kam habe ich wohl nicht behalten), hätte ich den Eintrag kopiert.
PS: Mr. Smith hat mir erlaubt die Geschichte seine Ur-Oma hier zu erzählen. Dafür meinen Dank ins sonnige Texas.
PPS: Das sind einfach Geschichten, die das Leben schrieb bzw. schreibt. Schatzi hat mittlerweile auch angefangen, seine Familie zu erforschen und festgestellt, dass irgendwann einmal Cousin und Cousine „geheiratet“ haben. Da dies Verwandte 1. Grades waren, duften sie nicht heiraten denn für Verwandte 1. Grades gab es und gibt es das kirchliche Verbot der Eheschließung. Sie haben also „nur so“ zusammengelebt.
Ihre Andrea Bentschneider
PS: Schatzi hat natürlich gleich erzählt, dass das Buch „Aimée & Jaguar“ ja ein ähnliches Thema hat, allerdings nicht zu der Zeit der oben genanten Ur-Oma spielt, sondern 1943 in Berlin.
21 Mai 2010 um 11:42
Bei diesem Artikel musste ich an einen Film denken, der eine Liebe zwischen zwei Frauen zu Zeiten des 2. Weltkrieges in Deutschland erzählt.
Vielleicht interessiert das ja jemanden: http://de.wikipedia.org/wiki/Aim%C3%A9e_und_Jaguar
26 Mai 2010 um 20:49
huch – beim LEsen des obigen Artikels hab ich voll das PS überlesen. Da war mein Kommentar ja total überflüssig! Sry. Ich habe das grade erst beim Stöbern gemerkt.