Friedhof Teil 2
…. Fortsetzung:
Die gebürtige Hamburgerin Maiken (kein Fehler mit dem N) Nielsen beschreibt in diesem im Jahr 1892 spielenden Buch das Bestattungswesen zur damaligen Zeit. Neben Bestattern kommen dort auch die Nachrufschreiber und, und, und vor.
Ach ich gebe einfach einen kurzen Ausschnitt zum Lesen:
1892: Im Gängeviertel wird eine Tote gefunden, die auf verblüffende Weise Lili Winterberg, der Tochter eines Bestatters, ähnelt. Die Polizei verdächtigt Winterberg selbst des Mordes, da die Mordwaffe aus seiner Werkstatt stammt. Die energische Lili macht sich auf, die Unschuld ihres Vaters zu beweisen – und taucht ein in die dunklen Abgründe ihrer Stadt. Zwei junge Männer – heimliche Konkurrenten um ihre Gunst – unterstützen sie dabei. Und dann ist da noch die rätselhafte Magdalena, eine Freundin der Toten, die bald Lilis Vertrauen gewinnt. Doch als Lili endlich das Komplott durchschaut, wartet schon eine neue tödliche Gefahr…
Das Buch „Das siebte Werk“ erscheint am 1. September 2009 kostet € 8,95 und ist unter ISBN 978-3-499-24943-3 zu erhalten.
Ich schreibe hier im Blog ja immer locker und flockig, aber der Tod ist doch eher ein ernsthaftes Thema, da frage ich mich natürlich, wie jemand auf die Idee kommt, darüber ein Buch zu schreiben. Logische Konsequenz: Ich frage die Autorin selbst.
Andrea Bentschneider: Sie haben einen Roman über den Tod geschrieben. Warum?
Maiken Nielsen: Weil ich Angst vor dem Tod habe und mir diese Angst selber nehmen wollte. Aber eigentlich ist der Roman alles andere als düster. Ich habe beim Schreiben sogar ziemlich viel gelacht.
AB: Wie das?
MN: Im Zusammenhang mit dem Tod können sehr komische Situationen entstehen. Das war mir vorher gar nicht so aufgefallen.
AB: Welche denn zum Beispiel?
MN: Ich zitiere mal aus dem Bestatterweblog, der Website eines Bestatters: Bei einer Beerdigung wird ein junger Mann dabei beobachtet, wie er sich mit dem Rücken zum offenen Grab stellt und einen Blumenstrauß über die Schulter in das ausgeschaufelte Loch hinter ihm wirft. Ein paar der Trauergäste rätseln daraufhin, welcher Religion dieser Mann wohl angehört, und was dieser Brauch des umgekehrten Brautstraußwerfens wohl zu bedeuten hat. Daraufhin erklärt einer nüchtern: „Immer noch besser, als wenn sich der Typ mit dem Rücken zu uns gestellt hätte, um den Strauß zu werfen, so nach dem Motto: Wer den fängt, ist als Nächster dran!“
AB: In Ihrem Roman geht es aber nicht um die komischen Dinge, die heutzutage auf einer Beerdigung passieren können, sondern um die Anfänge des Bestattungswesens im 19. Jahrhundert. Inwiefern hat Sie ausgerechnet diese Epoche interessiert?
MN: Mich hat interessiert, wie sich das Geschäft mit dem Tod im Zuge der Industrialisierung zum All-inclusive-Service ausweiten konnte, zum Rundum-sorglos-Paket. Wo es in früheren Jahrhunderten für jede Phase und jeden Aspekt der Totenversorgung ein eigenes Gewerk gegeben hat (Tischler für den Sarg, Wäscherin für die Leiche, Kutscher für den Totentransport, Näherin für das Leichenhemd, Kirchenvertreter für das Gespräch mit den Angehörigen usw.), entstanden ab den 1870er Jahren in Deutschland die ersten Bestattungsunternehmen, unter deren Dach all diese Gewerke zusammengefasst waren.
AB: Den Alltag in einem solchen Bestattungsgeschäft schildern Sie im Roman mit viel Liebe zum Detail. Woher beziehen Sie Ihre Kenntnisse?
MN: Ich habe Bestattungsunternehmen, die seit mehr als 100 Jahren existieren, gefragt, ob ich mal in Ihr Familienarchiv schauen dürfte, in der Hoffnung darauf, Briefe oder Tagebücher zu finden, in denen ein Vorfahre vom Geschäft erzählt. Das haben die meisten Bestatter aber abgelehnt. Dann habe ich im Hamburger Staatsarchiv geforscht, wo ich vor allem Bildmaterial gefunden habe. Darüber war ich ganz glücklich, weil ich beim Schreiben viel mit Bildern arbeite. Ich gucke mir zum Beispiel immer gern Kostüme, Inneneinrichtungen und Straßenszenen an, um die Stimmung in der Zeit so authentisch wie möglich wiedergeben zu können. In der Bibliothek des Hamburger Museums der Arbeit habe ich dann eine Abhandlung über Tod und Hygiene gefunden, die vom Ende des 19. Jahrhunderts datiert. Auch das war hilfreich. Eine Zeitlang habe ich versucht, Freunde und Kollegen mit meinem so erworbenen Wissen über Leichenzersetzung zu beeindrucken, bis mir ein Bekannter, der Arzt ist, zu verstehen gab, dass mein Wissen leider extrem veraltet ist… (lacht.)
AB: Und wie ist es Ihnen letztendlich gelungen, sich Informationen über den Bestatteralltag im 19. Jahrhundert zu verschaffen?
MN: Über das Kasseler Museum für Sepulkralkultur. Die haben eine fantastische Bibliothek. Da habe ich relativ viele Zeitzeugnisse gefunden. Von da an ging alles ganz leicht.
AB: Was hat Sie bei Ihren Recherchen am meisten beeindruckt?
MN: Die Särge, die im Wiener Bestattungsmuseum ausgestellt sind. Da gibt es zum Beispiel den österreichischen Klappsarg. Der wird über das ausgeschaufelte Grab gehalten, die Leiche fällt raus und der Sarg kann erneut verwendet werden. Oder der Sarg in der Doppelfunktion als Totenaufbewahrung und Kleiderschrank. Wurde vor allem in ländlichen Gegenden gekauft. Wenn der Besitzer dann gestorben ist, hieß es: Kleider raus, Toter rein. Oder dieses Verfahren einer Schweizer Firma, bei dem Tote zu Diamanten gepresst werden. Die können dann von den Angehörigen als Kettenanhänger oder Bauchnabelpiercings getragen werden. Echt skurril.
AB: Mit welchem Gefühl haben Sie Ihren Roman beendet?
MN: Ich glaube, ich fange an, meinen ja irgendwann einmal eintretenden Tod als Teil meines Lebens hinzunehmen. Und ich empfinde ganz tiefen Respekt für Menschen, die im Bestattungsgewerbe tätig sind. Ein schwieriger, wichtiger, aber auch schöner Beruf.
28 Mai 2012 um 15:47
[…] Hier kann man das Interview und eine Vorstellung des Buches nachlesen. 4 Kommentare […]