4. Beitrag: Warum die ukrainischen und irakischen Wurzeln bei mir sehr augenfällig sind.
Mein Befund war da. Ich gehöre zur Haplogruppe R1A1. Das hört sich an wie eine neuentdeckte, schlimme Krankheit, irgendwo angesiedelt zwischen HIV und Hepatitis B. Oder wie der verschollene und nun wieder aufgetauchte Cousin von RZwo-DZwo aus »Star Wars«.
Dabei handelt es sich bei der Haplogruppe R1A1 um, wenn ich das alles richtig verstanden habe, einen bestimmten Genpool, den ich und viele andere Männer in sich tragen. Nachdem ich wochenlang vergeblich im Internet gesucht hatte, lag nun das erste Ergebnis des »Genographic Project« vor. Ich hatte meinen Mundspeichel nach Texas geschickt, und jetzt sollte ich erfahren, wo ich meine genetischen Wurzeln habe. Ich erhielt eine mehrseitige Analyse meines »Genbefunds« und dazu eine Weltkarte, auf der verzeichnet war, welchen Weg meine Vorfahren genommen haben.
Genetisch folgten später die M17-Männer, die vor ungefähr 10.000 Jahren, vor allem in dem Gebiet der heutigen Ukraine und des südlichen Russland, nachgewiesen wurden. Inzwischen war die Population schon auf einige Millionen angewachsen, und die amerikanischen Genforscher gehen davon aus, dass die M17-Männer die Ersten waren, die sich vom Nomadenleben verabschiedeten, sesshaft wurden und Nutzpferde und Reittiere gebrauchten. Dass ich in direkter Linie von den ukrainischen M17-Männern abstamme, leuchtete mir ein. Als begeisterter Reiter galoppiere ich regelmäßig durch die grüne Steppe der Südeifel. Auch die physische Ähnlichkeit zwischen mir und den ukrainischen Klitschko-Brüdern fällt direkt ins Auge. Manchmal hat man ein Brett vor dem Kopf, da hätte man auch selber drauf kommen können.
Noch heute, so die amerikanischen Genforscher weiter, gehören 40 Prozent der Männer, die in dem Dreieck zwischen Tschechien, den sibirischen Steppen und Zentralasien leben, zu den M17-Männern, also der Haplogruppe R1A1. Und zu 35 Prozent sind die M17-Männer im Hindi sprechenden Indien und im östlichen Iran zu finden.
Aha, da haben wir die Verbindung zu meiner bronzenen Hautfärbung. Und wegen dieses südländischen Aussehens wurde ich schon des Öfteren für einen Perser gehalten. Während des Golfkriegs 1991 schaute ich mir mit meiner Freundin eine Wohnung an. Der Vermieter redete nur mit ihr und über mich, der ich danebenstand, ausschließlich in der dritten Person: »Ist der da Ihr Freund? So wie der aussieht, ist er bestimmt unser Feind.« Und schon gehörte ich zum engsten Kreis um Saddam Hussein. Wenn man mir einen buschigen Schnurrbart anklebt, ist die Ähnlichkeit mit dem Ex-Diktator des Irak in der Tat verblüffend. Das haben wir 1996 mal in der »Harald Schmidt Show« ausprobiert.
Mit den Informationen zu den M17-Männern endete das Schreiben der Leute vom »Genographic Project«. Ich war, ehrlich gesagt, schon ein wenig enttäuscht.
Das war ja alles schön und gut, in der weiteren Verwandtschaft die Ukrainer, Inder und Iraner zu wissen. Aber waren die Angaben nicht noch arg ungenau? Die letzten Informationen, die mir gegeben wurden, endeten vor 10.000 Jahren. Dass ich von diesem Zeitpunkt aus gesehen mit der Hälfte der Weltbevölkerung verwandt bin, überraschte mich nicht sonderlich. Allerdings hat sich in den letzten 10.000 Jahren doch so das ein oder andere in der Menschheitsgeschichte getan, und ich hatte gehofft, etwas weniger grobschlächtige Informationen über meine genetischen Vorfahren zu erhalten.
Ihr
Manuel Andrack
Nächste Woche geht es weiter mit dem 5. Beitrag: Und warum auch der Sorbe in mir seine Spuren hinterlassen hat.
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