3. Beitrag: Wie es kommt, dass meine Großneffen vierten Grades im Osten 25 Jahre älter als ich sind.
Ich schlug den Atlas auf, suchte Bad Liebenwerda und fand es in der Mitte eines Dreiecks zwischen Leipzig, Berlin und Dresden. In dieser Gemeinde, genauer im Ort Zeischa, wollte ich Helmut Andrack besuchen und hatte mich bei ihm angemeldet.
Und dann referierte Herr Merkel, wie ich und meine Köln-Trierer Familie mit den Zeischaer Andracks verwandt sind. Das jüngste Kind von Johann Christian und Maria Dorothea Schaaf war Eduard Andrack gewesen, der 1839 in Zeischa geboren worden war. Und diesen Eduard hatte es als Eisenbahner, wann auch immer, von der Mitte des Deutschen Reichs in Brandenburg in den Südwesten nach Trier verschlagen. Herr Merkel hatte mir wirklich einen Haufen Arbeit abgenommen und dafür gesorgt, dass ich nun wusste, wer mein Ururgroßvater war.
Und ich hatte neue Verwandte gefunden, Helmut und Herrn Merkel. Nur: Wie ließ sich das Verwandtschaftsverhältnis bezeichnen? Denn zwischen meinem Ururgroßvater, der 1795 (unglaublich, sechs Jahre nach der französischen
Revolution) geboren worden war, und mir, seinem Ururenkel, fehlten eigentlich zwei Generationen. Erst war mein Ururopa mit 44 Jahren noch mal Vater geworden, und auch mein Uropa hatte sich ja, indem er mit 60 Jahren der Vater meines Opas wurde, ganz schön Zeit gelassen. In diese 104 Jahre, in denen nur zwei Generationen entstanden, passen normalerweise vier Generationen, wenn man plus minus 25 Jahre für eine Generation zählt. Während also Johann Christian mein Ururopa war, war es für Helmut und Herrn Merkel der Urururopa, also ein »Ur-» mehr, und das, obwohl die beiden ungefähr 25 Jahre älter als ich sind, also der Generation meiner Eltern angehören. Das ergab für den Ver- wandtschaftsgrad das Kuriosum, dass es sich bei den beiden um meine Großneffen vierten Grades handelt. Umgekehrt hatten sie in mir den lange verschollenen Großonkel vierten Grades aus dem Westen gefunden. Weinend lagen wir uns in den Armen, und ich hätte den beiden Rackern fast ein Bonbon zugesteckt.
Meine Großneffen Tick, Trick und …, quatsch, also meine Großneffen Helmut und Herr Merkel zeigten mir nach der Stammbaumerläuterung meine, so musste man das wohl formulieren, Heimat. Wir fuhren zum Friedhof, auf dem viele Andracks begraben lagen, dann durch den ganzen Ort Zeischa, und schon bald schwirrte mir der Kopf vor lauter Namen. Dort hatte jener, dort dieser Andrack gewohnt, hier hatte sich ein Unternehmer aus dem Westen eine Villa für 1,2 Millionen gebaut, der war aber nie da, und dort wohnte eine Zahnärztin und dort ein Zahnarzt und hier die Tochter von Herrn Merkel, ach, da steht ja ihr grüner Wagen, und diese Baumschule wird noch vom Sohn von Waltraud betrieben, die auch eine geborene Andrack ist, und am Ende der Straße wohnt noch ein weiterer Zahnarzt. Ich kannte dann bald alle 450 Einwohner von Zeischa namentlich und machte mir auch keine Sorgen um die dentistische Versorgung der Gemeinde.
Ihr
Manuel Andrack
Nächste Woche geht es weiter mit dem 4. Beitrag: Warum die ukrainischen und irakischen Wurzeln bei mir sehr augenfällig sind.
Neueste Kommentare